Neue wissenschaftliche Verfahren und neuartige Technologien unterscheiden dieses System von den bisherigen Tsunami-Warnsystemen. Aufgrund der speziellen geologischen Situation in Indonesien sind die bisher benutzten, etablierten Tsunami-Warnsysteme für Indonesien nicht optimal. Die Erdbeben im Indischen Ozean vor Indonesien entstehen entlang dem Sundagraben, einer Subduktionszone, die sich bogenförmig von der Nordwestspitze Sumatras bis Flores im Osten Indonesiens erstreckt. Entsteht hier ein Tsunami, laufen die Wellen im Extremfall innerhalb von 20 Minuten an der Küste auf, so dass nur sehr wenig Zeit für eine Frühwarnung bleibt. Diese Rahmenbedingung lag daher der Konzeption des gesamten Systems zugrunde.
Technisches Konzept von GITEWS |
Durch die lokale Geologie bedingt, ist die Vorwarnzeit extrem kurz. Innerhalb von fünf Minuten nach einem Starkbeben muss daher ein Alarm ausgelöst sein. Es wurde deshalb ein neuer Ansatz entwickelt, der vor allem auf modellbasierter Kopplung seismologischer Daten mit GPS-Messungen und Pegelmessungen basiert. Mehr als 300 Sensoren sind über ganz Indonesien verteilt und liefern ihre Daten in Echtzeit ins Warnzentrum. Ein neu entwickeltes, automatisches Decision Support System (vgl. unten Decision Support System DSS) setzt daraus ein Lagebild zusammen, auf dessen Basis die Entscheidung gefällt wird, ob ein Alarm ausgegeben wird. Im Ablauf werden daher folgende Schritte vorgenommen: - Bebenort und –stärke: Bestimmung durch seismologische Daten; alle Erdbeben (weltweit) werden erfasst. Ausgewertet werden im Nationalen Warnzentrum alle Erdbeben M≥2. Erdbebeninformationen werden grundsätzlich bereitgestellt. Tsunami-Warnmeldungen werden nur ausgegeben, wenn ein Tsunami zu erwarten ist (Erdbebenmagnitude >7).
- Bruchmechanismus: nur starke untermeerische Beben mit ausgeprägter Vertikalkomponente können Tsunami erzeugen. Eine erste Abschätzung, ob sich der Meeresboden vertikal bewegt hat, lässt sich durch GPS-Messungen an Land-Fixpunkten feststellen (vgl. unten GPS-Shield).
- Feststellung eines Tsunami: An den Küsten und auf den vorgelagerten Inseln vor Indonesien wurden Küstenpegel mit GPS-Komponente aufgebaut, die den Meeresspiegel überwachen. Die Daten sind in den Warnprozess eingebunden (vgl. unten GPS-Pegel).
- Entscheidungsfindung: innerhalb von weniger als fünf Minuten kann die Entscheidung gefällt werden, ob eine Warnung ausgegeben werden muss, und – wenn ja – an welchen Küstenabschnitten (vgl. unten DSS).
GITEWS bildet die Kernstruktur des indonesischen Tsunami-Frühwarnsystems InaTEWS. Beim Aufbau von GITEWS konnte aufgrund der besonderen Bedingungen Indonesiens mit seinen extrem kurzen Vorwarnzeiten nur bedingt auf die Erfahrungen der bis dahin existierenden Tsunami-Frühwarnsysteme für den Pazifik in USA und Japan zurückgegriffen werden. Im Resultat dieser Herausforderung machen die neu entwickelten Komponenten und Verfahren und ihr Zusammenwirken in GITEWS/InaTEWS das System zu einem der modernsten Tsunami-Frühwarnsysteme weltweit.
Grundvoraussetzung für das Frühwarnsystem ist eine schnelle und zuverlässige Bestimmung von Ort und Magnitude eines Erdbebens. SeisComp3 wurde von der GEOFON-Arbeitsgruppe des GFZ entwickelt und kann selbst bei Starkbeben zuverlässig innerhalb von etwa vier Minuten Bebenstärke und –lage bestimmen. Damit ist SeisComp3 weltweit einzigartig. Das GFZ hat dieses System der Community unentgeltlich zur Verfügung gestellt, so haben alle Anrainerstatten des Indischen Ozeans dieses System als Quasi-Standard implementiert.
Starke Beben erzeugen an der Erdoberfläche einen beträchtlichen horizontalen und vertikalen Versatz, der mehrere Meter horizontal und auch vertikal betragen kann und der mit GPS gemessen werden kann. Ein entsprechend dichtes Messnetz vorausgesetzt, ist dieser „GPS Shield“ zusammen mit den seismologischen Daten innerhalb von 5 Minuten in der Lage, den Erdbebenbruch zu charakterisieren, sodass Stärke und Ausbreitung eines Tsunami berechnet werden können. Dieses neue Verfahren wurde in GITEWS zur Anwendungsreife gebracht und wird jetzt als Standardmethode zur Tsunamibestimmung im Nahfeld eingesetzt.
GPS-Küstenpegel überwachen den Meeresspiegel. Wasserstandsänderungen durch einen Tsunami werden erfasst und in den Warnprozess mit einbezogen. Die GITEWS Pegel erfassen die Änderungen über drei Sensortypen: Druck, Radar und Schwimmer und sind zusätzlich mit GPS Empfängern zur Bestimmung einer möglichen vertikalen Verschiebung des Untergrundes ausgerüstet. Mittlerweile stehen nicht nur in Indonesien sondern auch in anderen Anrainerstaaten des Indischen Ozeans verlässlich Pegeldaten zur Verfügung. Die Daten sind zudem in öffentlichen Datenbanken des IOC verfügbar. An einzelnen exponierten Küstenabschnitten sind auch Webcams zur Beobachtung installiert.
Das Decision Support System ist eines der zentralen Elemente des Warnzentrums in Jakarta. Hier laufen die Ergebnisse der Sensordatennetzwerke zusammen, werden mit vorberechneten Modellierungen verglichen und dadurch ein Lagebild der Situation erzeugt und ggf. eine Warnmeldung vorgeschlagen, die dann durch den diensthabenden Wissenschaftler freigegeben werden muss. Bei Bedarf können auch vorberechnete Risikokarten zur Entscheidungsfindung eingeblendet werden. Das DSS wurde vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Rahmen des GITEWS entwickelt.
Die Lagebeurteilung und die Generierung von Warnmeldungen basiert auf Modellierungsergebnissen. Aus den wenigen Daten, die in den ersten rd. 5 Minuten nach dem Auftreten eine Erdbebens (Erdbebenlokation, Magnitude, ggf. Informationen des GPS-Shields) vorliegen, kann nur mit Hilfe der Modellierung ein flächendeckendes Lagebild erzeugt werden. Dieses geschieht einerseits durch vorberechnete, hochaufgelöste Szenarien in einer Datenbank und andererseits (und erst seit wenigen Jahren) durch ein weniger hochaufgelöstes, aber dafür on-line rechnendes Computerverfahren. Die hochaufgelösten Szenarien enthalten neben der Tsunamiberechnung (Laufzeit bis zur Küste, Wellenhöhe an der Küste) auch Berechnungen der folgenden Überflutungen, was eine entscheidende Eingangsgröße für alle Risikoabschätzungen und z.B. Evakuierungsmaßnahmen ist. Ergänzt wird dieses durch laufende Aktualisierungen mithilfe des Online-Werkzeugs. Daher wird man immer beide Varianten (vorberechnete Szenarien und on-line Tool) einsetzen. Der Versand der Warnmeldungen durch BMKG erfolgt über verschiedene und technisch unabhängige Kommunikationskanäle und ist durch „Standard Operational Procedures“ festgelegt.
Tsunamibojen (auch Tsunameter genannt) sind keine eigenständigen WARNsysteme. In allen Tsunami-Warnsystemen weltweit sind sie MESSinstrumente zum Nachweis eines Tsunami. Die wichtigste Information, nämlich die schnelle Erdbebenlokation und Magnitude, ohne die man weder eine Simulation der Lage noch eine Warnung erstellen kann, können Bojensysteme NICHT liefern. Bojensysteme zur direkten Messung eines Tsunamis waren zunächst Teil des Forschungskonzeptes. Die Weiterentwicklung des GPS-Shields ermöglichte, das Bojenkonzept nicht weiter zu verfolgen. Somit sind Bojen seit 2010 nicht mehr Bestandteil des operativen Warnsystems, damit entfällt auch der hohe Wartungsaufwand küstennaher Bojeninstallationen.
Das System beruht auf über 300 unterschiedlichen landgestützten Sensorsystemen. Die Daten dieser Sensoren werden in Echtzeit in den Kontrollraum im Warnzentrum übertragen und dort über modernste Auswertesysteme im Entscheidungsunterstützungssystem (DSS) aggregiert und in ein Lagebild umgesetzt.Die Warnung erfolgt auf Basis einer sehr schnellen, präzisen Erdbebenerfassung und –auswertung, die das Kernstück des Warnsystems bildet. Die schnelle Bestimmung von Erdbebenparametern (Lage, Tiefe, Magnitude) durch 160 Seismometer an Land ist die erste und wichtigste Grundlage für die Tsunamivorschau durch Modellierung und die darauf beruhende Generierung einer Warnmeldung. Dieses erste Lagebild wird in der Folge durch zusätzliche Daten von GPS-Stationen und Küstenpegeln entlang der Küste Indonesiens weiter erhärtet. Der Nachweis eines Tsunami erfolgt mit Küstenpegeln, die ebenfalls mit GPS-Sensoren ausgerüstet sind.
GITEWS war von Anbeginn mit einem sogenannten End-to-End Ansatz geplant. Dies beinhaltet den Aufbau von Instrumentennetzen zur Messung der Naturgefahr (Erdbeben, Tsunami), die Entscheidungsunterstützung auf der Basis eines Modellierungssystems zur Generierung von Lageeinschätzungen, eine landesweite Risikoeinschätzung mit der Erstellung von Gefährdungs-, Vulnerabilitäts- und Risikokarten sowie dem Capacity Development bei Behörden, lokalen Entscheidungsträgern und Administrationen sowie bei den betroffenen lokalen Gesellschaften und der Hotelindustrie. Diese Arbeiten an den verschiedenen Handlungsfeldern wurden von Anfang an parallel durchgeführt, wobei eine permanente Abstimmung zwischen den Arbeitsfeldern und den involvierten nationalen und internationalen Partnern erfolgte.
Die Installationsphase von GITEWS war einerseits durch die Entwicklung der benötigten Systemkomponenten charakterisiert, andererseits durch die Entwicklung geeigneter Strategien, Informationsmaterialien, Standards und Vorgehensweisen. Das BMKG (Badan Meteorologi, Klimatologi dan Geofisika), Betreiber des Frühwarnsystems, erreichte den operativen Zustand schrittweise und über verschiedene Phasen des Systemaufbaus. Während der GITEWS-Phase waren unter Federführung des Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ eine Reihe deutscher Institutionen eingebunden, deren Aufgabe der technische Aufbau des Systems war. Dabei wurden die Beiträge anderer Geberstaaten integriert. Maßnahmen des Capacity Development im Bereich Down-Stream (Disaster Reduction Strategie) wurden in Pilotgebieten zusammen mit den lokalen Verwaltungen und der Bevölkerung implementiert. Die Ansätze, Verfahren und Produkte wie z.B. der TsunamiKiT sind auf andere Teile Indonesiens übertragbar und bilden die Grundlagen für eine landesweite Implementierung.
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